Brief aus Der Weg des Feuers
Liebste Minerva!
Es freut mich, dass du die Zeit als verheiratete Frau genießt. Ich bin überzeugt, Mutter ist ebenfalls überglücklich. Hoffentlich belästigt sie euch nicht zu sehr mit ihrer Anwesenheit, damit ihr eure Zweisamkeit auch wirklich auskosten könnt.
Du wirst es nicht glauben, ich habe den Turm mit meiner ersten Mission verlassen. Zuerst war ich ein wenig enttäuscht darüber. Mein Meister wollte, dass ich nach einem alten Freund sehe, da dieser ein seltsames Gefühl ob seiner Bediensteten hatte. Ich tat dies als leichte Aufgabe ab und trat meinen Weg an. Dabei genoss ich die Reise und die Zeit für mich. Du ahnst ja nicht, wie viele Dramen sich in einer Magierakademie abspielen können!
Meine Einsamkeit endete, als ich auf den Verwalter des Sonnberganwesens in einem kleinen Kaff traf. Er heuerte außer mir auch noch drei Männer an. Mutter wäre entsetzt, mit welchen Kumpanen ich mich abgeben muss, daher verschweige ihr das bitte so weit wie möglich.
Doch dir will ich natürlich keine Details meiner Reisegefährten vorenthalten.
Da wäre der Söldner namens Sibrand, der gleich von Anfang an einen schlechten Start bei mir hatte, zumal er mir ungefragt Avancen machte. Sein Auftreten und sein Aussehen waren anfangs schwer zu ertragen. Er glaubt, ich sehe es nicht, aber ich spüre seine Blicke ständig auf mir. Wie gut, dass man uns beigebracht hat, über solchen Dingen zu stehen.
Sein Freund Konstantin hat da schon mehr Manieren. Er ist ein Soldat, der in der letzten großen Schlacht gegen die Untoten gekämpft hat. Glaube mir, seine Erzählungen sind ganz anders als das, was an unsere Ohren drang. Ich frage mich immer öfter, welche der Geschichten, die man uns erzählt, wirklich wahr sind.
Und dann ist da noch Euronimus, ein umherreisender Heiler. Das klingt jetzt schlimmer, als es ist. Er hat die besten Manieren von allen und ich schätze ihn sehr. Wenn all dies vorbei ist, würde ich ihn gerne einmal zu uns nach Hause einladen, um ihm für seine Freundschaft zu danken.
Zurück zu dem Auftrag meines Meisters. Schnell wurde meine Aufgabe interessanter.
Schon bei der Reise zum Anwesen wurden wir von Ferdraiit überfallen. Mein Herz raste, als ich zum ersten Mal meine Fähigkeiten ohne Überwachung meines Meisters einsetzte. Doch glaube mir, dieser Kampf erscheint mir mittlerweile lächerlich im Gegensatz zu dem, was noch folgte.
Wir fanden nämlich heraus, dass sich unter den Bediensteten Mitglieder eines Kultes befanden. Ich werde von nun an die Geschichten über Dämonen oder ihre Höllendimension nicht mehr so leichtfertig abtun wie bisher, da ich die Wahrheit gesehen habe. Ich werde nicht weiter darauf eingehen, da ich dir die Albträume ersparen will, die mich heimsuchen. Sei jedoch versichert, dass wir das Wirken des Kultes zunichtegemacht haben.
Da nur noch die Hälfte der Belegschaft des Sonnberganwesens seinen Dienst leisten kann, sind wir auf Bitte des Grafen immer noch hier. Wir patrouillieren, verjagen die verbleibenden angreifenden Ferdraiit oder gehen auf die Jagd. Keine sehr rühmlichen Arbeiten, aber dennoch besser, als weiter Bücher im Magierturm zu wälzen. Hin und wieder vertreibe ich mir die Zeit mit Gesprächen mit dem ansehnlichen Hauptmann Breger. Auch wenn er eher wortkarg ist, so ist er stets freundlich und interessiert. Ohne seine Kampferfahrung wäre es nicht so glimpflich ausgegangen.
Zum Glück bin ich nicht nur von Männern umgeben. Schwester Katharyn ist eine Vyrandpriesterin, die hier auf ihre eigene Weise gegen das Böse Stellung bezieht. Du wirst dich nun vielleicht über meine positiven Worte wundern, da ich den Vertretern der Kirche sonst nicht so wohlgesonnen bin. Diese Frau hat die Welt wirklich gesehen und predigt nicht nur von einer Kanzel herab. Und auch wenn ich ihre heiligen Parolen nur belächeln kann, so beeindruckt mich ihre Stärke. Ich kann es immer noch nicht fassen, wie sich ihr Glaube mit meiner Magie verband und wir gemeinsam unseren Feind vertrieben. Nun frage ich mich, wie viele Menschen da draußen tatsächlich Vyrands Weg beschreiten und in seinem Namen kleine Wunder wirken, von denen wir nie erfahren werden.
Nach all dieser Aufregung erwarte ich den Brief meines Meisters mit weiteren Anweisungen. Noch weiß ich nicht, wie es weitergehen soll. Zurück in den Turm? Weiterreisen? Alleine oder mit meinen bisherigen Gefährten? Was davon mir am meisten zusagt, kann ich selbst nicht sagen.
Am besten du schickst deine Antwortschreiben weiterhin an die Akademie, da ich dir nicht sagen kann, wo mich bald mein nächstes Abenteuer erwartet.
Deine dich liebende Schwester,
Gwendolin

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Text von Claudia Aichholzer, Beitragsbild von Joel Fazhari auf Pixabay.

Claudia Aichholzer
Claudia Aichholzer liebt fantasievolle Geschichten und möchte ihren Teil dazu beitragen, den oftmals eintönigen Alltag mit Fantasie aufzupeppen. Mit den „Fabelflug-Chroniken“ hat sie bereits eine High-Fantasy-Welt für Kinder erschaffen, die auch immer noch fortgesetzt wird. Als C.A. Federschrieb veröffentlicht sie im Selfpublishing Adult-Fantasy.
Hauptquelle ihrer Inspiration sind Pen&Paper Rollenspiele. Das immersive Erleben von Geschichten mit ihren Freunden regt ihre Fantasie an, wie sonst kein Medium.
Mittlerweile hat sich die ehemalige Volksschullehrerin als Lektorin mit ihrem Lektorat Silbentanz selbstständig gemacht. Sie möchte damit anderen Autor:innen bei der Verwirklichung ihrer Buchträume unterstützen.
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